Nachgefragt bei Sanna Puolitaival von der Rentierfarm "PoroPuolitaival"
Wie erkennt man eine gute Rentierfarm, in der auch das Tierwohl hinreichend beachtet wird? Auf welche Kriterien kann man auch als Tourist achten? Wie sollte man sich als Tourist den Rentieren gegenüber verhalten? Diese Fragen haben wir Sanna Puolitaival von der Rentierfarm "PoroPuolitaival" aus Äkäsjoensuu in Lappland gestellt.
Sanna betreibt eine Rentierfarm im finnischen Äkäsjoensuu unweit der schwedischen Grenze. 20 Rentiere werden derzeit für den Schlittenbetrieb genutzt bzw. befinden sich noch in der Ausbildung. Da Sanna bereits seit über 10 Jahren mit Rentieren arbeitet, verfügt sie über einen großen Erfahrungsschatz. Das Arbeiten mit den Rentieren ist für sie vielmehr Lebensweise statt Broterwerb. Somit ist ihr Ziel auch nicht das Erwirtschaften von maximalem Profit, sondern die Vermittlung von einzigartigen Naturerlebnissen. Die Rentierfarm "PoroPuolitaival" ist ein von uns besondes geschätzer Partner, mit dem wir gerne zusammenarbeiten. Sanna sagt "Für uns sind die Schlittenrentiere wie auch die gesamte Rentierherde wie Familienmitglieder. Ihr Wohlergehen hat für uns eine sehr hohe Priorität". Gleichwohl muss sie aber zugeben, dass Rentiere keine einfach zu haltenenden Tiere sind und viele Besonderheiten mit sich bringen. Diese kann man in keinem Lehrbuch studieren, sondern das Wissen darüber wird von Generation zu Generation unter den Rentierhaltern weitergegeben.
Folgende Punkte sind wichtige Kriterien für eine seriöse, verantwortungsvoll betriebene Rentierfarm:
- Sauberkeit. Alle Bereiche, wo sich Rentiere aufhalten, sollten sauber sein, insbesondere die Fressplätze.
- Aufmerksame Tiere. Ein Rentier, das sich wohlfühlt, ist an seiner Umgebung interessiert. Es verfolgt das Geschehen und hört zu, was man am lebendigen Spiel der Ohren interessieren kann. Manchmal trifft man auf Rentiere, die schon etwas abgestumpft sind, ihre Umgebung kaum wahrnehmen und wie nach Innen gekehrt wirken. So sollte es nicht sein. Ein gesundes Rentier ist lebendig, aufgeweckt, aber dennoch ruhig.
- Ruhetage und Rücksicht auf die Gesundheit: Rentiere sind natürlich keine Maschinen und so benötigen auch sie Ruhetage. Ein guter Rentierfarmer richtet sich immer an den Bedürfnissen der Tiere aus! So kann es auch schonmal notwendig sein, dass Schlittenfahrten kurzfristig abgesagt werden, wenn das Fahrwetter für die Rentiere aufgrund der Schneebeschaffenheit zu herausfordernd ist. Manchmal bleibt der Schnee an den Kufen des Schlittens haften und das Ziehen wird für die Rentiere dann einfach zu kraftraubend.
- Wohlgenährte Tiere. Das Rentier ist ein sauberes Tier und es hat einen überraschend empfindlichen Magen. War etwas Falsches im Futter, leidet das Rentier schnell unter Durchfall. Bitte also das Rentier als Tourist nicht ungefragt füttern! Ein Schlittenrentier sollte nicht zu dick und nicht zu dünn sein. Für den Laien kann dies jedoch schwer zu erkennen sein.
- Sorgsame Ausbildung. Ein Schlittententier sollte unbedingt ausreichend lange ausgebildet werden, bevor es einen Schlitten mit Touristen ziehen darf, denn wechselnde Menschenmengen stressen ein zu wenig ausbildetes Rentier sehr schnell. Die Ausbildung zum Schlittenrentier dauert häufig mehrere Jahre (mindestens 4 Jahre)! Schon alleine das Gewöhnung an Menschenmengen und Menschen, die sich unterschiedlich verhalten, ist für das Rentier eine große Herausforderung und dauert mindestens einen Winter. Sie können an der Art, wie das Rentier behandelt wird und sich behandeln lässt, einschätzen, ob das Rentier gut ausgebildet wird. Rentiere sind sensible Tiere und mit harter Hand erreicht man wenig! Ein gutes Schlittententier ist leichtführig und folgt dem Führenden ruhig. Allerdings darf nicht vergessen werden, dass das Rentier ein Fluchttier ist! Auch bei erfahrenen Rentieren können immer wieder herausfordernde Situationen auftauchen.
- Intakte Ausrüstung. Die Ausrüstung des Rentieres, das Geschirr, die Zügel und der Schlitten sollten sauber und intakt sein. Im Idealfall hat jedes Tier sein eigenes Geschirr, denn jedes Rentier ist anders gebaut. Die geeignete Ausrüstung ist für einen Laien zwar schwer zu erkennen, aber immerhin ist die Sauberkeit ein Indiz dafür, dass die Ausrüstung gepflegt wird.
- Wahl geeigneter Routen. Der Zustand der Fahrstrecke ist für Schlittenrentiere, die viel im Einsatz sind, außerordentlich wichtig. Sie sollte nicht zu weich sein, aber auch nicht zu festgefahren/rutschig. Eine weiche Fahrstrecke ist nach Schneefall jedoch manchmal kaum zu vermeiden. Wichtig ist, dass die Fahrstrecke sicher ist, auch wenn das Rentier etwas schneller läuft.
Unsicherheit besteht bei Gästen oft hinsichtlich der Artgerechtheit des Anpflockens. Tatsächlich ist ein großes Gelände, wo alle Rentiere frei und ungestört herumlaufen können, die beste Lösung. Leider ist sie jedoch nicht immer realisierbar, zum Beispiel weil die Fläche, welche die Rentierfarmer nutzen dürfen, zu klein ist. Rentiere sind sehr hierarchische Tiere und gehen mit Artgenossen nicht gerade zimperlich um. Wenn die Tiere im Freigehege nicht genug Platz haben, sich aus dem Weg zu gehen, kann es schnell zu blutigen Kämpfen kommen. Auf zu kleinen Flächen finden die Rentiere auf dem zertrampelten Boden auch nicht genügend sauberen Schnee, der für ihre Flüssigkeitszufuhr wichtig ist. Deshalb wird manchmal das Anpfflocken während der Schlittensaison bevorzugt, sodass Rangkämpfe vermieten und die Versorgung aller Tiere mit sauberem Schnee und Futter sichergestellt werden kann. Sehr wichtig ist in diesem Fall aber, dass die Tiere sich mindestens an 1-2 Tagen der Woche "frei" bekommen und in einem großen Freigehege ihren natürlichen Betätigungen nachgehen können, wie zum Beispiel dem Ausgraben von Nahrungspflanzen unter der unberührten Schneedecke.